Farbe bekennen


             
 
             

Farben an die Macht. Spätestens seit im 19. Jahrhundert Eugene Delacroix den Streit zwischen Farbe und Linie mit Dominique Ingres für sich, also für die Farbe entschieden hat und seit um die gleiche Zeit Honore de Balzac in seiner Erzählung vom unbekannten Meisterwerk die malerische Linie ad absurdum geführt hat, gilt dieses Motto. Die Impressionisten schwelgten dann in oftmals all zu lieblichen Farbwölkchen, während die Expressionisten mit der geballten Härte der Farbe von jener des Lebens erzählen. Abstrakte Expressionisten, neue Realisten und wie sie sonst auch immer heißen mögen, erzeugen mit ihrem zu Teil monochromen Bildern Farbräume, neue Lebensräume für die Menschheit. Bereits Paul Cezanne hatte mit seiner Malerei als "realisation", als Verwirklichung, das Abbild verlassen und - theologisch gesprochen - an der Schöpfung weitergearbeitet.
Luis Sammer kennt diese Geschichte der Malerei, aber nicht aus grauer Theorie; er hat diese Geschichte durchgemalt, er hat sich diese Geschichte angeeignet und zur Farbmacht seiner Malerei komprimiert. Luis Sammer stammt zwar aus österreich, aber aus jenem Teil südlich der Alpen, den böse Zungen als Nordbalkan bezeichnen.
Viel eher legt dieser Umstand aber die Vermutung nahe, dass schon früh die Prägung der maritimen Helligkeit der Sonne und die spröde Schönheit knalliger Farbexplosionen zumindest als Sehnsuchtsgrund vorhanden waren. Das Lebensgefühl der Kulturen rund um das Mittelmeer, gefüttert von griechischem Geist und christlicher Spiritualität, spornt die Pinsel von Luis Sammer an, verbindet die Gelassenheit des Bocciaspielers im Schatten mit der Zielstrebigkeit der wellendurchschneidenden Handelsschiffe. Mit "nüchternem Auge und begeisterten Herzen" (Simat Banov) gibt sich Luis Sammer der Malerei hin. Hart erarbeitete Kompositionen, die niemals in ein bloß gestisches Farbverschmieren ausbrechen, zollen ihren Respekt vor der Natur, zumeist der Landschaft. Sie begnügen sich aber nicht mit deren Formen und Farben, sondern decken ein erkenntnistheoretisches Grundphänomen auf: dass uns die Natur immer nur in unserer Verfügbarkeit und nie als feste Größe gegeben ist, dass wir sie genauso viel erfinden wie sie sich uns als Widerstand entgegensetzt.
Und daraus erwächst Verantwortung, für Luis Sammer eine malerische Verantwortung, die entgrenzte Form dann niemals in Beliebigkeit abgleiten lässt. Seine Arbeiten sind Verwirklichungen im Sinne von Cezanne, aber nicht nur Verwirklichungen seines eigenen Lebens, sondern Verwirklichungen von Lebensraum für ihre Betrachter.

Hartwig Bischof

 

Ateliersituation - Kreta/Graz

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